Portrait: Engagierter Ruhestand im BFD Ü27
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34 Jahre hat Sigrid Pecnik bei der Deutschen Bundespost und Telekom gearbeitet. Für sie war klar: Im Ruhestand möchte sie ein Ehrenamt übernehmen, möglichst in ihrer Kirchengemeinde. Dann kam der Ruhestand schneller als gedacht. Die 56-jährige Postbeamtin konnte schon in diesem Jahr im Rahmen von Frühpensionierungen das Unternehmen verlassen.
Die einzige Bedingung: Sie muss entweder einen zwölfmonatigen Bundesfreiwilligendienst absolvieren oder "eine vergleichbare ehrenamtliche Tätigkeit" im Umfang von 1.000 Stunden nachweisen. Berücksichtigt wird auch die Pflege eines Angehörigen. Sigrid Pecnik entschied sich für einen Bundesfreiwilligendienst bei der Diakonie RWL, denn dieser bietet eine besonders klar geregelte Möglichkeit, die Bedingungen an den Engagierten Ruhestand zu erfüllen. Sie engagiert sich jetzt in Vollzeit in der Betreuung alter Menschen - und freut sich auf jeden Tag im Altenheim.
Als Gruppe auf diese Weise einen Zollstock am Boden abzulegen, ist gar nicht so einfach. Aber Kommunikation und Kooperation sind wiederkehrende Themen der begleitenden Bildungsarbeit. Und dazu gehören auch Übungen.
Erfüllt im Engagierten Ruhestand
"Engagierter Ruhestand" nennt sich das neue Projekt, an dem die ehemalige Postbeamtin teilnimmt. Es beruht auf einem Gesetz, das im letzten Jahr in Kraft getreten ist. Danach können Beamte über 55 Jahre aus den "Postnachfolgeunternehmen" unter bestimmten Voraussetzungen ohne Pensionsabschläge in den Ruhestand gehen. Dies werden in den kommenden zwei Jahren vermutlich noch viele Beamte tun.
"Ich lerne viel über Kommunikation, die ohne Worte auskommt", sagt Sigrid Pecnik über ihren Freiwilligendienst in einem Evangelischen Altenheim in Rheinberg, in dem sie Menschen mit Demenz betreut. Sie erlebt, dass ihre bloße Gegenwart oder einfache Berührungen schon viel bewirken, beruhigen oder sogar ein Lächeln hervorbringen.
"Als Beraterin im Callcenter waren alle meine Kundenkontakte auf Worte beschränkt", erzählt die frühere Postbeamtin. Sie musste Beschwerden entgegennehmen, Störungen und Rechnungen bearbeiten. Jetzt, im Freiwilligendienst, entwickelt sie ganz neue kommunikative Fähigkeiten. Sie ist sich sicher, dass sie sich nach dem Freiwilligendienst weiter ehrenamtlich engagieren wird.
Guter Einstieg ins langjährige Ehrenamt
Dann aber möchte Sigrid Pecnik über ihre Einsatzzeiten selbst entscheiden, wie es zum freiwilligen Engagement eigentlich dazu gehört. Im Bundesfreiwilligendienst mit festen Dienstzeiten ist das nur begrenzt möglich. "Der Bundesfreiwilligendienst ist aber vielleicht gerade deshalb ein guter Einstieg in die soziale Welt", ist sie überzeugt. Sie lernt die Einrichtung von innen her kennen und kann in Ruhe herausfinden, wo sie später etwas mitgestalten und einbringen will.
Jürgen Thor leitet das Zentrum Freiwilligendienste der Diakonie RWL
"Unsere Einsatzstellen machen mit den ersten Beamten im Freiwilligendienst ausgezeichnete Erfahrungen", erklärt Jürgen Thor, Leiter des Zentrums Freiwilligendienste der Diakonie RWL. "Wir werden daher weiter um die jungen Ruheständler werben."
Thor würdigt die besonderen Kompetenzen, die die neuen Freiwilligen aus ihrer langjährigen Berufserfahrung mitbringen. "Die wollen wir auch bei der Ausgestaltung der Aufgaben berücksichtigen, wenn das gewünscht wird." Auf diese Weise könne ein Einstieg in ein langfristiges ehrenamtliches Engagement gebahnt werden, betont er.
Vom Schalter in die Kita
Auch Bernd Krapohl gehört zu den ersten Engagierten Ruheständlern. Nach vielen Jahren am Schalter der Deutschen Post und später der Postbank hat sich der 56-Jährige Dortmunder für einen Freiwilligendienst in der Kita entschieden. "Ich war froh, dass ich dann bei der Diakonie gute Ansprechpartner gefunden habe, die sich wirklich auskannten und mich auch bei der Suche nach einer Stelle sehr gut beraten haben", sagt er und ergänzt: "Schließlich weiß ich aus meiner eigenen beruflichen Praxis, was gute Beratung ausmacht." In seinen letzten Dienstjahren war Bernd Krapohl Innenbetriebsleiter in einem Finanzcenter der Postbank.
In der Kita ist er nun derjenige, der sich von den Kindern beraten lässt. "Die ersten Wochen wurde ich fast jeden Tag zum 'Friseurtermin' bestellt", erzählt er. Die Kinder baten ihn, sich eine Farbe auszusuchen. "Damit wollten sie meine grauen Haare wegmachen." Zum Glück ist das nur ein Rollenspiel gewesen, lacht er.
Text und Fotos: Christian Carls